Ein einmaliges Erlebnis: Wir haben am Eurovision Song Contest (ESC) in Basel ehrenamtlich mitgearbeitet und damit einen Einblick hinter die Kulissen erhalten. Wie es dazu kam?
In unserer Kindheit in den 1970er-Jahren steckten Globalisierung, Vernetzung und Digitalisierung in den Kinderschuhen. Sieben staatliche Fernsehsender waren nebst den Radiosendern das Tor in die weite, grosse Welt. Austauschen über Fernsehsendungen, die man am Samstagabend gesehen hat, verband die Kinder und Jugendlichen.
Das Trio Peter, Sue & Marc, die die Schweiz 1976 am Concours d’Eurovision vertraten und den vierten Rang erreichten, gehören zu den frühen TV-Momenten, die wir als Siebenjährige miterlebt haben. Mit späteren Schweizer Sängerinnen und Sänger wie Pepe Lienhard Band (Swiss Lady, 1977), Peter, Sue & Marc mit Pfuri, Gorps & Kniri (Trödler & Co., 1978) und Paola (Cinéma, 1980) hat sich das Eurovisions-Virus vor allem in Roland festgesetzt.
Als Nemo den 68. ESC-Wettbewerb im Mai 2024 gewann, nahmen wir uns vor, bei der nächsten Austragung möglichst nah dabei zu sein. So bewarben wir uns im Januar für einen Volunteer-Einsatz am ESC 2025 und haben im März die Zusage erhalten.
Vergangenen Mittwoch reisten wir nach Basel und starteten das Abenteuer. Zwei Wochen zuvor besuchten wir bereits einen dreistündigen Informations- und Schulungsanlass für die Freiwilligen und absolvierten eine Online-Schulungen zur Prävention und Unterstützung bei sexualisierter Gewalt und Feindlichkeiten.
Unser Freiwilligeneinsatz war bei den Proben für den zweiten Halbfinal und für den Final, die wie die Livesendungen vor Publikum durchgeführt wurden. Wir wurden am Informationspunkt für Barrierefreiheit und Inklusivität eingesetzt und begleiteten Personen im Rollstuhl mit dem Lift an ihre Plätze.
„United By Music“ ist seit 2023 das Motto des Eurovision Song Contests und soll die Kraft der Musik widerspiegeln, Menschen auf der ganzen Welt zusammenzubringen. Unser Freiwilligeneinsatz gab uns einen Einblick in dieses Miteinander und in die Produktion der grössten Musikshow der Welt. Nebst der Freiwilligenarbeiten nahmen wir uns auch Zeit, unsere Wahrnehmungen und Erlebnisse zu reflektieren.
Folgende Eindrücke wollen wir mit Euch teilen:
- Grossartig: Wir sind beeindruckt, wie drei Organisationen diesen Grossanlass innert zwölf Monaten auf die Beine gestellt haben (Eurovision Broadcasting Union, SRG SSR und Basel).
- Einordnen: 37 teilnehmende Länder mit unterschiedlichen Kulturen und Sprachen sind über die Musik vereint und fügen sich den Rahmenbedingungen des Wettbewerbs. Dass die damit verbundene Medienaufmerksamkeit von unterschiedlichen Organisationen zur Kommunikation ihrer Anliegen genutzt wird (Bsp. Anti-Israel-Demo), liegt in der Natur der Sache.
- Reaktionen: Unser Freiwilligeneinsatz eim ESC hat im Umfeld unterschiedlichste Reaktionen ausgelöst. Wir spürten Begeisterung und Skepsis und hörten auch abwertende Äusserungen über aktuelle und frühere Teilnehmende.
- Üben im wertfreien Begegnen: Wir sahen bei den Eingangskontrolle unterschiedlichste Personen mit einer grossen Vorfreude auf den Anlass. Wir steckten diese Personen in die Schublade «Mensch». Wir hätten sie auch mit Mann, Frau, Weiss, Farbig, Non-Binär, Männer-Partnerschaften, Familien, Behinderte usw. schubladisieren können. Wir haben das Staunen über die Vielfalt von Lebensformen in den Vordergrund gerückt und uns darin geübt, zu staunen anstatt zu bewerten.
- Dranbleiben und verbinden: Basel ist neue Wege gegangen und hat mit accessify.live dafür gesorgt, dass alle den ESC erleben können, ob mit Hörbehinderung, ohne Ton oder mit anderer Muttersprache. Zudem wurde erstmals an einem ESC ein niederschwelliges Angebot auf die Beine gestellt, damit Betroffene von sexualisierter Gewalt und Feindlichkeiten rund um die Uhr Hilfe bekamen (24-Stunden-Hotline, Rückzugsorte und mobile Awarness-Teams in den Veranstaltungsorten).
Wir sind dankbar, dass wir das Glück hatten, als Volunteer an diesem seltenen Ereignis eines ESC-Events in der Schweiz dabei gewesen zu sein und damit für ein paar Tage in eine andere Welt eintauchen konnten.